Ein Wiener Dienstagmorgen

In Wien wacht man nicht dankbar für das Leben auf. Man wacht mit einer gewissen Schwermut auf. Von Anfang an denkt man an all die Dinge, die getan werden müssen. Essentielle Dinge wie die Anzahl der Croissants, die man in der Bäckerei kaufen wird. Und noch wichtiger, welche Sorten? Wahrscheinlich ein Mandelcroissant, mein Favorit. Dann ein Marillencroissant und natürlich ein einfaches, damit man zu Hause Butter und Salami hinzufügen kann oder, wenn einem danach ist, Honig und Butter oder einfach die andere Marillenmarmelade, die man daheim hat.

Aber zuerst müssen die Hunde ihre Geschäfte erledigen, und während das allein nicht ausreicht, ist ein Stopp im Hundepark zum morgendlichen Sozialisieren ein Muss. Der Typ in der weißen Hose ist auch da, und das bleibt in Erinnerung, denn es braucht einen bestimmten Typen, um im Hundepark weiße Hosen zu tragen, besonders wenn es matschig ist. Aber das ist diese typische Wiener „Ist-mir-doch-egal“-Einstellung, die man nur bewundern kann. Eine halbe Stunde später geht er mit seinem schwarzen Mops und weniger weißen Hosen, und nun ist es Zeit für meine Mission zur Bäckerei.

Es ist keine beschwerliche Mission, aber unterwegs gibt es Geschäfte, bei denen man sich fragt, wie sie wohl Geld verdienen. Hin und wieder findet man ein interessantes Café, von dem man sagt, dass man es eines Tages ausprobieren wird, aber man tut es dann doch nicht. Dann gibt es interessante Posterläden, in denen man Plakate findet, die bis zum Ursprung der Poster zurückreichen.

In der Bäckerei sitzen Menschen und trinken ihren Morgenkaffee, und die Vitrine ist vollgestapelt mit unzähligen Gebäckstücken und Sandwiches, die in ihrer ganzen Pracht darauf warten, von den heutigen Homo sapiens verzehrt zu werden. Ein „Grüß Gott“ wird mir von einem der Bäcker zugerufen, und ich bestelle vier Dinge, kaufe aber nur drei. Meine Aufregung war mir vorausgeeilt. Ich bin zufrieden mit dem Gesamtpreis; Wien ist eine erschwingliche Weltstadt.

Und los geht's, aber warum gleich nach Hause? Die Croissants werden nicht kalt, also kann ich genauso gut im Pflanzenladen vorbeischauen – nicht im Blumenladen, im Topfpflanzenladen. Dieser hier ist überteuert, weil sie die Pflanzen mit einem Logo versehen haben und ein schönes Erlebnis sowie einen hervorragenden Kundenservice bieten. Natürlich zahle ich den höheren Preis für die grüne Pflanze, die mein Zuhause verschönern wird. Den richtigen Topf auswählen, der Verkäufer packt die Pflanze in braunes Papier ein und schreibt mir den lateinischen Namen der Pflanze auf, nicht weil ich gefragt habe, sondern weil es Teil dieses Erlebnisses ist: eine unnötige, aber sehr erwünschte Erfahrung.

Und nun gehe ich nach Hause mit einer Tüte Croissants und einer neuen Pflanze. So sollte ein Dienstagmorgen in Wien sein.


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